Dienstag, 16. März 2010

Gehirndoping gegen den Prüfungsstress

Gehirndoping gegen den Prüfungsstress


Von Silvia von der Weiden 15. Oktober 2008, 09:44 Uhr

Experten warnen vor einem beunruhigenden Trend: Die Zahlen der Studenten, die legale und illegale Medikamente und Drogen schlucken, um dem Leistungsdruck standhalten zu können, steigen alarmierend. Eingenommen wird alles, was aufputscht, die Aufmerksamkeit steigert oder die Nerven beruhigt.

- Bis zu 17 Prozent der US-Studenten nehmen das aufmerksamkeitssteigernde Medikament Ritalin ein. Bei deutschen Studenten stehen dagegen Aufputschmittel hoch im Kurs. -

Gegen Prüfungspanik und Klausurstress greifen immer mehr Schüler und Studenten zu Medikamenten. Wie eine aktuelle Befragung des britischen Wissenschaftsjournals „Nature“ unter insgesamt 1400 Personen zeigt, hat bereits jeder Fünfte zu Beruhigungs- oder Aufputschmitteln gegriffen, um dem Leistungsdruck standhalten zu können. Verbreitet sei der Missbrauch insbesondere bei Hochschülern und Schichtarbeitern, so das Fazit.

Alarmierende Zahlen meldet auch Barbara Sahakian, leitende Neuropsychologin an der Klinik in Addenbrook. Wie die Untersuchungen der britischen Wissenschaftlerin ergeben, nehmen bis zu 17 Prozent der US-Studenten regelmäßig das aufmerksamkeitssteigernde Medikament Ritalin ein. Helfen soll das verschreibungspflichtige ADHS-Mittel eigentlich hyperaktiven Kindern und Jugendlichen, die an der sogenannten Zappelphilipp-Krankheit leiden.

Auch hierzulande haben Medikamente längst die harmlosen Aufputscher wie Kaffee und Cola oder milde pflanzliche Beruhigungsmittel wie Baldriantee abgelöst, wie der Blick ins Internet beweist. Da fragen Studierende und Schüler gezielt nach Betablockern, um den in der Prüfung jagenden Puls zu beruhigen. Mit dem bei Herzkranken gegen Rhythmusstörungen eingesetzten Medikament wollen sie ihre Prüfungsangst eindämmen. Und riskieren ohne den Arzt nicht selten erhebliche Nebenwirkungen. So kann der Puls so langsam werden, dass Schwindel und Kollaps drohen. In Internetforen tauschen Medizinstudenten Dosisempfehlungen aus, geben Tipps, wie man auch ohne Arztbesuch an das verschreibungspflichtige Medikament kommt. Manche raten, „sich die Pillen bei jemandem aus der Familie zu besorgen“. Andere suchen gezielt nach „Wachmachern“, sogenannten Amphetaminen, um beim nächtlichen Pauken durchzuhalten, nach Antidepressiva „gegen den Prüfungsbammel“ oder Benzodiazepinen, ohne die sie glauben, keinen Schlaf mehr finden zu können. 

Wie verbreitet der Medikamentenmissbrauch tatsächlich ist, darüber kann Michael Koch, Professor für Neuropharmakologie an der Universität Bremen, nur spekulieren. Konkrete Erhebungen gebe es hierzulande nicht, und ob anonyme Umfragen immer die Tatsachen widerspiegeln, daran hat der Experte Zweifel. Nach seiner Erfahrung neigen jedoch junge Menschen eher dazu, sich der modernen Pharmakologie anzuvertrauen: „Die Möglichkeiten, in die Chemie des Gehirns einzugreifen, sind dabei enorm."

Einen Missbrauch, insbesondere unter Studenten, vermutet auch die Techniker-Krankenkasse (TK). Wie eine Studie mit 130.000 Versicherten ergab, werden Antidepressiva unter Studierenden wesentlich häufiger verschrieben als in vergleichbaren Altersgruppen.

Die Studie für die TK hatte auch ergeben, dass Deutschlands Studenten zwischen 20 und 34 Jahren seltener zum Arzt gehen als Erwerbstätige in ihrem Alter. Durchschnittlich 1,47 Arztkontakte im Jahr haben die Studenten, bei den Erwerbstätigen liegt der Schnitt bei 1,90. Einen auffälligen Unterschied gibt es außerdem bei der Medikation: Die Studenten bekommen im Schnitt fünf Tagesrationen Antidepressiva verschrieben, Erwerbstätige 3,5 Tagesrationen.

Auch bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) ist das Problem bekannt. Experten raten zu mehr Sport, um Prüfungsangst und Klausurenstress auch ohne den Griff zur Tablette abzubauen. Um die Gehirnleistung auf Touren zu bringen, empfiehlt DAK-Ärztin Waltraud Pfarrer eine vitaminreiche Ernährung.

„Bis zu 17 Prozent der US-Studenten nehmen das aufmerksamkeitssteigernde Medikament Ritalin ein“

Aber auch unabhängig vom zunehmenden Medikamentenkonsum bei Studenten werden In Deutschland immer mehr Drogen konsumiert. Forscher spüren die Rauschmittel in Kläranlagen und Flüssen auf. So lässt sich ermitteln, wo wie viel gekokst wird. New York, Köln, Paris oder Nürnberg – keine Stadt wird verschont.

 

 


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