Freitag, 12. März 2010

Eltern geben immer weniger für Schulbücher und Lernsoftware aus


Eltern geben immer weniger für Schulbücher und Lernsoftware aus

Umsatzentwicklung in 2009 in allen Bereichen negativ


Frankfurt a. M., 11.03.2010

Durchweg negative Zahlen zu den Umsätzen mit Schulbüchern und Bildungsmedien im zu­rückliegenden Geschäftsjahr 2009 präsentierte heute der Branchenverband VdS Bildungsme­dien auf einer Pressekonferenz vor der didacta 2010 in Köln. Der Umsatz mit analogen und digitalen Medien für das Lernen und Unterrichten in den Schulen und Volkshochschulen fiel demnach auf knapp 460 Mio. Euro - ein Minus von 2 % verglichen mit 2008.

In den beruflichen Schulen gingen die Umsätze sogar um 5 % und in der Erwachsenenbildung um 6 % zurück; in den allgemein bildenden Schulen wurde ein Minus von einem Prozent registriert. Hauptursa­che hierfür waren deutlich geringere Ausgaben der privaten Haushalte: Sie gaben 2009 3 % weniger als in 2008 für den Bildungsmedienkauf ihrer Kinder aus. Von den Eltern kam 2009 nur noch etwas mehr als jeder dritte Euro beim Kauf von Schulbüchern und Lernsoftware. 2005 war es noch jeder zweite Euro.

Für den Umsatzrückgang verantwortlich macht der Verband aber dennoch nicht die Familien, sondern vorrangig die Politik. Seit Jahren werde unseriös Wahlkampf mit angeblich zu hohen Schulbuchkosten für die Eltern betrieben, erklärte der Verband. So entschied sich die Politik in den letzten Jahren in Bayern, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Thüringen dafür, die Elternbeiträge stark einzuschränken oder ganz abzuschaffen. Unter dem Deckmantel der Für­sorge um sozial schwache Familien wurden die Schulbuchkosten für alle Familien gekürzt. Die fehlenden Elterngelder glich der Staat aber nicht durch eigene Mehrausgaben aus. "Damit bleibt die Bildungsmedieninnovation auf der Strecke", erklärt der VdS-Vorsitzende Wilmar Diepgrond und warnt vor drohenden Reformruinen. In 2008 sank der Branchenumsatz um 4,5 %, in 2009 nun um weitere 2 %. Diepgrond fordert von der Politik konsequentes Handeln: "El­ternbeiträge kürzen aber keinen öffentlichen Ausgleich schaffen - das ist unverantwortlich. Wer dann noch die Verantwortung einfach an die Kommunen abschiebt und weiß, dass diese die Mehraus­gaben immer öfter nicht leisten, der entlastet nicht die Familien, sondern verkauft ihnen eine Mogelpa­ckung." Weniger Bildungsmedien in den Schulen bedeuten nach Diepgrond schlechteren Un­terricht und mehr teure Nachhilfe für die Familien. Der Verband, der die 86 Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien in Deutschland vertritt, befürchtet für 2010 noch höhere Um­satzeinbrüche - gerade weil die Kommunen in immer stärkerem Maße unter der Finanz- und Wirtschaftskrise leiden und die Etats für Bildungsmedien kürzen wollen.

Die Entwicklungen in den Teilbranchen:

Mit 327 Mio. Euro für Schulbücher, Lernhilfen und Lernsoftware in den allgemein bildenden Schulen, minus 1 % gegenüber dem Vorjahr, war der Umsatzeinbruch 2009 schwächer als noch im Juni desselben Jahres von der Branche befürchtet worden war. Allerdings stecken hinter diesen Zahlen gegensätzliche Entwicklungen in den Bundesländern: In 2009 haben be­reits viele kommunale Schulträger die Lernmitteletats gekürzt, insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein (jeweils minus 5 %) und das trotz Konjunkturprogramm II durch die Bundesregierung - einem Finanzierungsprogramm, das die Schulträger vor allem beim Schulbau und der Renovierung gewaltig entlastet hatte. Eine positive Entwicklung gab es nur in Hessen, wo die Lernmittelausgaben um 5 % stiegen. Ein Plus von circa 10 Mio. Euro gab es im Saarland: Allerdings war dies eine einmalige Anschubfinanzierung des Landes we­gen der Umstellung vom Elternkauf auf die Schulbuchmiete und bedeutet (fast) keinen Neu­kauf mehr für die nächsten drei Jahre.

Innerhalb der Produktgruppen schwankten die Umsatzeinbrüche zwischen 0 % und -5 % und waren bei jenen Medienarten (z.B. Lernhilfen) höher, die typischerweise von den Eltern ge­kauft werden. Genauere Zahlen können erst Mitte des Jahres genannt werden. Ein Trend hielt 2009 weiter an: Wer ein Lehrwerk kauft, der erhält zugleich auch digitale Inhalte – als DVD eingesteckt im Buch oder als Code, mit dem man im Download-Bereich der Verlage Software und digitale Inhalte abrufen kann. Die eigenständigen Umsätze mit Lern- und Unterrichts­software sind weiterhin rückläufig. Die Schulen erwarten, dass digitale Inhalte ins Schulbuch eingepreist werden.

Der Umsatzeinbruch in den beruflichen Schulen um minus 5 % von 60 auf nur noch 57 Mio. Euro erklärt sich vorrangig dadurch, dass die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsver­träge in 2009 um 8,3 % rückläufig war und private Käufe dadurch ausfielen. Der Rückgang begründet sich zum einen Teil demographisch, zum anderen durch die Wirtschaftskrise. In den Vollzeitberufsschulen des BGJ, die die minderjährigen Schulabgänger besuchen müssen, wenn sie keinen Ausbildungsplatz erhalten gab es trotz Schülerzahlenplus keine verstärkte Mediennachfrage. Nicht nur die Schulbuchverlage klagen seit Jahren darüber, dass im BGJ die Schulabgänger nur "geparkt" werden, anstatt die Zeit zu nutzen, um vorhandene Lerndefizite durch systematische Förderung zu verbessern.

Mit Minus 6 % war der Umsatzeinbruch in der Erwachsenenbildung am höchsten (75 Mio. Euro statt 2008 noch 80 Mio. Euro). Im Teilmarkt der Bildungsmedien für das Fremdspra­chenlernen und die IT-Weiterbildung dominiert der Privatkauf; in 2009 gab es einen Ausga­benrückgang bei den privaten Haushalten, die weniger VHS-Kurse und private Weiterbildung als noch 2008 buchten. Im Bereich der Kurse für "Deutsch als Fremdsprache" zur Vorberei­tung der Prüfung auf die Staatsangehörigkeit, ein Bereich der staatlich verordnet und auch fi­nanziert wird, stagnierten die Umsätze mit Unterrichtsmaterialien, obwohl die Zahl der Kursteilnehmer gegenüber dem Vorjahr gestiegen war.

Zur Branche: In Deutschland gibt es 86 Schulbuchverlage und Hersteller von Bildungsmedien, die etwa 3.000 feste Mitarbeiter und eine etwa gleich hohe Zahl von freien Mitarbeitern im Dienstleistungssektor beschäftigen. An die Verlage sind rund 30.000 Autoren gebunden. Die mittelständig geprägte Branche gibt alljährlich rund 8.000 neue Bücher und digitale Medien für das Lernen in allen Schularten von der Vorschule bis zu den beruflichen Schulen sowie der Erwachsenbildung heraus und hält ca. 60.000 Titel im Angebot. Der Branchenumsatz ist in den letzten Jahren rückläufig und liegt bei nur noch 460 Mio. Euro. Neben der Kaufzurück­haltung der privaten Haushalte seit Beginn der Wirtschaftskrise machen der Branche v. a. die Etatkürzungen bei den kommunalen Schulträgern zu schaffen. Diese Kürzungen stehen im diametralen Gegensatz zu den Innovationswünschen der Kultusministerien, die mehr Refor­men beschließen und darauf zugeschnittene Bildungsmedien brauchen und fordern. Insge­samt gibt es in Deutschland knapp 3.000 Unterrichtsrichtlinien, nach denen in den Schulen und in den Ausbildungsbetrieben unterrichtet wird. So produzieren die Verlage heute z.B. nicht mehr nur für ein dreigliedriges Schulsystem, sondern nach den in den Ländern unter­schiedlich geregelten Zusammenlegungen und Neuordnungen von Haupt- und Realschulen für mittlerweile 12 Schulformvarianten in der Sekundarstufe I.

Hintergrundinformationen zu den Elternausgaben: Die Elternbeteiligungen im Rahmen der Lernmittelfreiheit sind in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. Für alle Bun­desländer gilt aber, dass die Schüler aus einkommensschwachen Familien vom Kauf komplett befreit sind (zwischen 15 und 40 % aller Schüler je nach Bundesland). Insgesamt haben die privaten Haushalte in 2009 neue Schulbücher und Bildungsmedien für den Unterricht ihrer Kinder in Höhe von nicht mehr als 180 Mio. Euro gekauft. Das sind im Bundesdurchschnitt deutlich weniger als 20 Euro pro Schüler und Jahr. Eine aktuelle Vergleichszahl aus der Un­terhaltungsindustrie: 2009 wurden für Computer- und Videospiele vor allem und zuallererst von den Familien 1.534 Mio. Euro ausgegeben (Zahlen des Branchenverbandes BIU vom 24.2.2010). Dies ist mehr als achtmal so viel wie für Bildungsmedien.



Quelle: bildungsklick.de


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