Donnerstag, 26. November 2009

Wolf Haas - Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

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Wolf Haas - Der Brenner und der liebe Gott


Gewitztere Lesekost lässt sich im deutschsprachigen Raum schwerlich aufspüren: Der Österreicher Wolf Haas, Jahrgang 1960, ist ein geistreicher Erzähler mit hoch komischen Gaben. Seine aberwitzige Krimi-Reihe um den oft von Migräne geplagten, meist summenden und brummenden, ansonsten indes ziemlich phlegmatischen Ex-Polizisten und Ex-Detektiv Simon Brenner hat dem kolossalen Kalauerkönig Haas den bemerkenswerten Ruf eingetragen, das sonst so ernste Thriller-Genre zugleich feiern und persiflieren zu können. Nunmehr ermittelt Brenner, der Delikte anzieht wie Aas Fliegen, zum siebten Mal – wiederum mehr nolens als volens. Diesmal bekommt es der behäbige Gemütsmensch, dessen Syntax und Wortschatz für Novizen gewöhnungsbedürftig, für Kenner eine einzige Freude sind, unter anderem zu tun mit: einem Scheidungskind, einer Tafel Schokolade, Abtreibungsgegnern – und einem Baulöwen. Am Ende des Erzählwahnsinns stehen ungefähr sieben Begräbnisse (so genau weiß man das bei Haas nie). Und die erhabene Erkenntnis, dass man sich im Werk dieses merkwürdigen Mannes mit der kriminellen Fiktionsenergie niemals unter Niveau amüsiert.

Hendrik Werner/Die Welt, August 2009


Noch einmal, weil’s so schön war: Wolf Haas hat seinen Brenner wiederauferstehen lassen. Das heißt, weg war der Detektiv und Ex-Polizist Simon Brenner ja nie, trotz des surrealen Countdowns in der Steiermark (siehe „Das ewige Leben“, der sechste und letzte Band der Brenner-Serie). Denn inzwischen ist Brenner in Gestalt des großartigen Josef Hader im „Knochenmann“ visuell präsent gewesen. Und jetzt ist Simon Brenner wieder unterwegs. Er hat einen neuen Job als Chauffeur eines Baulöwen. Seinen Chef sieht er eher selten, hauptsächlich ist er mit dessen zweijähriger Tochter Helena unterwegs. Die Mutter der Kleinen hat eine Abtreibungsklinik in Wien, der Baulöwe hat sein Büro in München und zwischen diesen beiden geografischen Polen wird Helena hin- und herchauffiert. Man trifft sich gewöhnlich in der Mitte: in Kitzbühel auf einer feudal und unappetitlich ausgebauten “Almhütte“. Brenner versteht sich mit dem aufgeweckten Kind blendend. Sein Geplapper dünkt ihm offenbar vernünftiger als das Gewäsch der meisten Erwachsenen und so ist alles paletti bis zu dem Tag, an dem Helena entführt wird. Brenner ist nur kurz zum Bezahlen in die Tankstelle gegangen und als er nach einem Espresso wieder herauskommt, ist das Kind aus der Baulöwenkarosse verschwunden. Ein Alptraum beginnt.

Mögliche Motive für Entführer gibt es zuhauf. Vielleicht soll die Mutter des Mädchens von fanatischen Abtreibungsgegnern erpresst werden? Deren Anführer ist nicht gerade astrein und leitet die täglichen Demonstrationen vor der Klinik. Vielleicht läuft etwas schief beim monströsen „Riesenland“ - Projekt im Prater, das der Baulöwe mit allerlei schmierigen Tricks an Land gezogen hat? Der intime Plauderton mit dem sich der allwissende Erzähler der Brennerschen Abenteuer unter häufiger Auslassung von leicht selbst zu ergänzenden Worten an den Leser wendet, funktioniert noch immer. Trotz aller wahnwitzigen Komplikationen, geht es jetzt aber viel gelassener zu, quasi Altersweisheit: „Weil heute bin ich die Ruhe in Person.“, sagt der Erzähler gleich auf der ersten Seite...“Hör zu, warum soll jedes Blutbad mein persönliches Bier sein...sollen sich die Jungen darum kümmern. Quasi Credo...Nicht immer nur tschingbumm, und wer hat jetzt wem eine Kugel, ein Messer, ein Stromkabel, was weiß ich nicht alles“. Neben alltagstauglicher Philosophie erfährt man etwas die Sondermüllbelastung der Schrebergärten, weil da allerhand Leichen umweltfeindlich entsorgt werden, über Brenners Wut auf Hütten und wie man sich, verschnürt und in einem Kofferraum gefangen, trotzdem orientieren kann. Und wo einem überall der liebe Gott begegnet. Frage nicht! Lies selbst!

Ingeborg Sperl/Der Standard, August 2009

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